Der November ist der Monat des Totengedenkens. In diesem Sinn stand auf dem Kalender des Gotthard-Jahres ein Memorial-Konzert, das den Verstorbenen der Schulfamilie gewidmet war. Das Ensemble Officium N, das sich zum großen Teil aus ehemaligen Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums zusammensetzt, führte dazu die Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz auf. Wie kein anderer Komponist stellt Schütz die Textausdeutung und deren musikalische Umsetzung in den Fokus. Damit etablierte er sich in der deutschsprachigen protestantischen Kirchenmusik des 17. Jahrhunderts als maßgeblicher Komponist. Seine Formensprache hat er aber in Italien erlernt. Bei Giovanni Gabrieli wurde er in Venedig am Dom San Marco mit der mehrchörigen Musikpraxis bekannt. Später holte er sich Inspiration in der von Monteverdi entwickelten Opernsprache, die er im solistischen Konzertieren umsetzte.
In den Exequien tauchen beide Traditionsstränge auf. Im ersten Teil folgen Chor und konzertante Soli im Wechsel mit ausgewählten Texten zum Thema Vergänglichkeit und Erlösung. Im zweiten und dritten Teil sind die Chorgruppen aufgeteilt und summieren sich zu aufgeladenen Klangballungen, die für die Venezianische Schule typisch sind.
Officium N interpretierte das Werk in einer dynamischen und organischen Konzeption, in der die alte Musik neu und unmittelbar erschien. Dazu steht dem Ensemble eine breite Ausdruckspalette vokaler Gestaltungsmöglichkeit zur Verfügung. Die Stimmgruppen sind in sich klanglich geschlossen, intonieren auf den Punkt, beherrschen die dynamische Differenzierung. Ein kompakter Klangkörper, der die Wortgewalt des Werks plastisch zu modellieren verstand.
Mit der Aufhängung einer Projektionsfläche im Chorraum experimentierte Officium erstmals in der Basilika mit einem modernen Medium. Die mit dem Vortrag synchronisierte Textprojektion trug wesentlich zum Verständnis der Musik bei.
Unterstrichen wurde der liturgische Charakter der Komposition durch geistliche Texte zur Thematik, die Abt Dr. Marianus Bieber vortrug. Immerhin hat Schütz die Exequien als Beerdigungsmusik für den Adligen Heinrich Posthumus zu Reuß in Gera komponiert. Sie wurden im Rahmen von dessen Beisetzung in der Familiengruft aufgeführt, sind also keine genuine Konzertmusik. Bei Schütz wurden zwischen den Stücken Texte gelesen, wie in der Niederalteicher Aufführung. Den Höhepunkt bildete der letzte Teil, in dem die Seele – in der Partitur als Beata anima bezeichnet – in der Begleitung von zwei Seraphimen aus dem Kirchenraum von oben singt, während der Chor der Irdischen sichtbar agiert.
Das differenziert und feinfühlig agierende Solistenteam setzte sich zusammen aus Claudia Bauer (Sopran), Susanne Schlögl (Sopran), Katharina Lechner (Sopran), Johannes Nagl (Alt), Matthias Deger (Tenor), Jochen Benkert (Tenor), Simon Zissler (Bass) und Valentin Gaschler (Bass). Das farbig spielende Continuo war besetzt mit Kersten Wagner (Theorbe), Hubert Kaineder (Orgel) und Dorothea Lutz (Cello).
Vor den Exequien stellte Officium N seine Qualität als a cappella Ensemble mit Werken der Renaissance und der Moderne unter Beweis.
Bernhard Falk / 15.11.23