Weit in die Zeit zurück entführten im ersten Teil die Mädchen und Buben der Iuvenes. Im 13. Jahrhundert war es an den Dom- und Klosterschulen Brauch, einen Kinderbischof oder Kinderabt zu wählen, der um die Weihnachtsfeiertage herum als Würdenträger verkleidet liturgische Dienste versah. Mittelalterliche Quellen berichten von der ausgelassenen Stimmung, die damit mitunter verbunden war. Dadurch geriet der Brauch zunehmend in Misskredit und verlor sich im Lauf der Zeit.
Einen Eindruck dieser weihnachtlichen Heiterkeit konnten die Zuhörer in der voll besetzten Kirche erleben. Die Iuvenes sangen unter der Leitung von Bernhard Falk nämlich einige Lieder aus dem Repertoire des Kinderspiels aus dem Moosburger Graduale, einer Handschrift von 1360 aus dem Kollegiatsstift St. Kastulus in Moosburg bei München. Im Lied zum Neujahr „Anni novi novitas“ kommt der Wahlspruch des Spiels zum Ausdruck: „Nam haec est festivitas clerus iunioris“ – Denn dies ist das Fest der jungen Geistlichkeit.
Das Ensemble Medieval Niederalteich kleidete die in klarem Ton vorgetragenen Lieder in ein variantenreiches Gewand aus beschwingten Rhythmen und schwungvollen Instrumentaleinwürfen. Claudia Bauer und Bernhard Falk traten solistisch dazu. Zwischen den tänzerischen Gesängen erklangen atmosphärische Stücke aus italienischen und böhmischen Handschriften des 14. Jahrhunderts.
Den zweiten Teil bestritt der Männerchor der Pueri Cantores unter der Leitung von Simon Zissler und Lukas Petraska. Das Ensemble aus Sängern des ehemaligen Knabenchors spannte mit weihnachtlichen Liedern und Motetten im romantischen Tonsatz einen weiten Bogen in die Ausdrucksmusik des 19. Jahrhunderts hinein. Sie ist geprägt von vielfältigen Schattierungen und starken dynamischen Entwicklungen, die die erfahrenen Männerstimmen sicher zu gestalten wussten. Zum Traditionsbestand des Chors gehört seit Jahrzehnten das Dreikönigslied „We three kings“ in der für die Pueri typischen markanten Interpretation sowie der Abschluss mit „Es wird scho glei dumpa“, das am Kirchenausgang gesungen wurde.
Mit der Komplet endete das aus 16 Veranstaltungen zusammengesetzte Jahresfestival, das Kloster und Schule anlässlich der 300-jährigen Gründung des Gotthard-Seminars durch Abt Joscio organisiert hatten.
Bernhard Falk / 27.12.23