Schüler-Eltern-Lehrerforum am St.-Gotthard-Gymnasium
mehrSeit jeher legen wir in Niederalteich neben der Wissensvermittlung besonderen Wert auf die Persönlichkeitsentwicklung unserer uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler im Sinne eines benediktinischen Bildungsideals, das kurz und knapp im Leitmotiv „Ora et labora et lege“ zugrunde liegt. Im Fluss der Zeit ist unserer Schule stets Tradition und Innovation wichtig gewesen. Insofern ist es geradezu in die DNA des St.-Gotthard-Gymnasiums eingeschrieben, dass wir immer wieder und damit eigentlich permanent unser Ganztagskonzept im Niederalteicher Modell im Sinne eines Aggiornamento, einer Aktualisierung unseres Konzeptes auf den neuesten Stand bringen. Mit der Entwicklung und der anstehenden Einführung des sog. „Selbstorganisierten Lernens“ (SOL) in der 9./10. Jgst. steht wieder ein Innovationsschub für das Niederalteicher Modell an.
In diesem Spannungsfeld ist der einzelne als Individuum mit seinen Talenten und seiner unveräußerlichen Würde als Kind Gottes aber auch eingebettet in die Gemeinschaft der Klasse, der Schulfamilie. So ist jeder uns anvertraute jungen Mensch am SSG immer „ein unendlich wertvoller Mensch von den vielen Menschen in der Gemeinschaft, verflochten in der Tradition Niederalteichs und eingebunden in die innovativen Transformationen in der Gegenwart Richtung Zukunft.
In einer Welt, die sich rasant verändert und in der lebenslanges Lernen immer wichtiger wird, möchten wir unsere Schülerinnen und Schüler nicht nur mit Wissen ausstatten, sondern sie auch zu eigenverantwortlichen und selbstständigen Persönlichkeiten erziehen. Selbstorganisiertes Lernen ist hierfür ein entscheidender Schlüssel. Es bedeutet, dass die Jugendlichen lernen, ihre Lernprozesse selbst zu planen, zu gestalten, zu steuern und zu reflektieren. Sie setzen sich eigene Ziele, wählen Lernstrategien aus, organisieren ihre Zeit und überprüfen ihren eigenen Lernfortschritt.
In diesem Sinne werden so die sog. Soft Skills geschult. Soft Skills, auch bekannt als "weiche Fähigkeiten", sind persönliche und soziale Kompetenzen, die nicht direkt fachspezifisch sind, aber für den Erfolg in Beruf und Alltag entscheidend sein können. Sie umfassen Fähigkeiten wie Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Problemlösungsfähigkeiten, Selbstmanagement und emotionale Intelligenz. Soft Skills sind oft schwer messbar, aber wichtig für Zusammenarbeit, Motivation und allgemeine Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz.
Wir sind überzeugt, dass selbstorganisiertes Lernen ein wichtiger Schritt ist, um unsere Schülerinnen und Schüler auf eine erfolgreiche und erfüllte Zukunft vorzubereiten – eine Zukunft, in der sie ihre von Gott geschenkte Freiheit verantwortungsvoll nutzen und ihre Talente zum Wohl der Gemeinschaft einsetzen können.
Johann Lummer
Gerade in der 9. und 10. Jahrgangsstufe, einer entwicklungspsychologischen Phase des Umbruchs und der Weichenstellung, bietet selbstorganisiertes Lernen vielfältige Chancen:
- Stärkung der Eigenverantwortung: Die Schülerinnen und Schüler übernehmen mehr Verantwortung für ihr eigenes Lernen und ihre Entwicklung.
- Förderung individueller Stärken: Jeder Mensch lernt anders. Selbstorganisiertes Lernen ermöglicht es, individuelle Lernwege zu finden und Stärken gezielt auszubauen.
- Vorbereitung auf die Oberstufe und das Leben: Die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren und zu motivieren, ist unerlässlich für den Erfolg in der Oberstufe, im Studium oder in der Ausbildung und im späteren Berufsleben wie auch im privaten Bereich.
- Entwicklung von Schlüsselkompetenzen: Zielstrebigkeit, Zeitmanagement, Problemlösungskompetenz und Reflexionsfähigkeit werden gestärkt. Die sog. Soft Skills werden geschult und ausgebaut.
Als kirchliches Gymnasium leiten wir unser pädagogisches Handeln aus unserem christlichen Menschenbild ab. Dieses besagt, dass jeder Mensch als einzigartiges Geschöpf Gottes mit unveräußerlicher Würde begabt ist. Damit verbunden ist die Freiheit des Einzelnen, sich zu entfalten, eigene Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Hier spielen folgende Akzente im christlichen Menschenbild eine Rolle im Kontext des selbstorganisierten Lernens:
- Der Mensch als freies und verantwortliches Wesen: Wir vertrauen darauf, dass unsere Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit und den Wunsch haben, ihr Potenzial zu entfalten und ihre Freiheit konstruktiv zu nutzen. Selbstorganisiertes Lernen ist ein Ausdruck dieser Freiheit, die wir fördern und nicht einschränken wollen.
- Individuelle Begabungen und Talente: Im Sinne des christlichen Menschenbildes sehen wir es als unsere Aufgabe an, jedem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, seine von Gott gegebenen Begabungen zu entdecken und zu entwickeln. Selbstorganisiertes Lernen ermöglicht es, auf diese individuellen Anlagen einzugehen.
- Lernen als Dienst am Nächsten und an der Welt: Die erworbenen Kompetenzen und das Wissen sollen nicht nur dem eigenen Vorankommen dienen, sondern auch dazu befähigen, Verantwortung für die Gemeinschaft und die Schöpfung zu übernehmen.
Selbstorganisiertes Lernen bedeutet nicht, dass wir unsere Schülerinnen und Schüler alleine lassen. Vielmehr begleiten die Lehrkräfte unsere Heranwachsenden im Rahmen ihrer Handlungsfreiheit intensiv auf diesem Weg:
- Klare Strukturen und Lernmaterialien: Wir bieten den Rahmen und die notwendigen Ressourcen in digitaler Form als SOL-Kurse in der digitalen Plattform ByCS. Unsere Fachschaften haben für jedes Fach jeweils für die 9./10. Jgst. einen SOL-Kurs angelegt.
- Begleitung durch Lehrkräfte: Unsere Lehrerinnen und Lehrer fungieren als Lernbegleiter, Lerncoaches und Mentoren. Sie geben Impulse, bieten Hilfestellung und führen individuelle Gespräche.
- SOL-Koordinatoren haben die schulischen Leistungsentwicklungen aller Schülerinnen und Schüler im Blick, führen Lernstandsgespräche und intervenieren im Einzelfall, wenn der Umgang mit Selbstverantwortung und Freiheit noch nicht gelingen sollte.
- In diese Zusammenhang spielen auch Feedback und die Selbstreflexion eine wichtige Rolle für den Lernerfolg.
- Das Lernen im SOL-Modus kann auf Methoden und Strategien aufbauen, die in der 5. bis 8. Jgst. geschult worden sind. Bereits am Ende der 8. Jgst. findet eine ausführliche Einführung in die digitalen Strukturen der SOL-Kurse statt.
Unsere Schule ist stets bestrebt, die Qualität des Unterrichts und die individuelle Entwicklung unserer Schülerinnen und Schüler weiter voranzutreiben. Im Zuge der Bewerbung um den Deutschen Schulpreis der Robert Bosch Stiftung haben wir uns 2023 auf den Weg gemacht, um das Konzept unseres Ganztages weiterzuentwickeln. Dabei lag ein Schwerpunkt auf der Einführung von Selbstorganisierten Lernzeiten (SOL) in den Jahrgangsstufen 9 und 10. Diese Lernzeiten entwickeln die bisherigen Freiarbeiten altersangemessen weiter und gehen dabei sowohl auf aktuelle Entwicklungen der Pädagogik als auch der Digitalisierung ein. Das Hauptanliegen unserer Bemühungen ist es dabei, unsere Schülerinnen und Schüler optimal auf eine sich ständig wandelnde Welt vorzubereiten und sie im Sinne der „21st Century Skills“ dazu zu befähigen, zunehmend die Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen.
Die Einführung der SOL-Zeiten soll keine bloße organisatorische Umstellung sein, sondern eine pädagogische Weiterentwicklung der Lernzeiten im Ganztag beinhalten. Die Aufgabenkultur in den Kernfächern stellt weiterhin das regelmäßige Üben und Vertiefen der Lerninhalte in den Mittelpunkt. Eine zentrale Rolle wird dabei unsere einheitliche digitale Infrastruktur (1:1 Ausstattung, Lernplattform ByCS) spielen, die eine einfache und übersichtliche Aufbereitung der Aufgaben ermöglicht. Die Aufgaben werden langfristig gestellt, um den Schülerinnen und Schülern ausreichend Zeit für die eigenständige Planung zu geben.
Neben dem verpflichtenden Üben und Vertiefen bieten die SOL-Zeiten auch die Möglichkeit, interessengeleitet eigene Schwerpunkte zu setzen. So werden in den Nebenfächern projektorientierte Aufgabenformate (SOL-Projekte) erprobt, bei denen die Schülerinnen und Schüler pro Schuljahr drei Themen ihrer Wahl vertiefen können. Dies ermöglicht eine personalisierte Lernerfahrung und fördert die intrinsische Motivation der Lernenden. Die Bewertung erfolgt dabei unter anderem durch alternative Formen der Leistungsbewertung.
Organisatorisch wird die Anzahl der SOL-Stunden in den Jahrgangsstufen 9 und 10 vereinheitlicht: Jeweils vier Stunden sind ausschließlich als Lernzeiten vorgesehen, und je zwei Stunden pro Woche stehen als Lernzeiten mit zusätzlichen Wahlangeboten zur Verfügung. Die SOL-Stunden werden weitestgehend parallel gelegt und die Jahrgangsräume in räumlicher Nähe angeordnet, um eine flexible und offene Lernumgebung zu schaffen. Unterstützt wird das Konzept durch die gezielte Begleitung von zwei SOL-Koordinatoren sowie bereits bewährten Strukturen wie z. B. die Nutzung von Timern und Absprachen der Fachlehrkräfte in den Klassenkonferenzen. Unsere Lehrkräfte agieren in den SOL-Zeiten nicht mehr primär als Wissensvermittler, sondern als Lernbegleiter. Sie können individuelle Unterstützung bieten, Lernprozesse beobachten und gezielt Feedback geben. Die digitale Infrastruktur der ByCS-Lernplattform ermöglicht dabei eine effiziente Bereitstellung und Verfolgung von Aufgaben, wodurch mehr Zeit für die individuelle Förderung bleibt.
Nachdem im Juli bereits eine Einführung der Schülerinnen und Schüler erfolgte, starten wir zum Schuljahresbeginn 25/26 mit dem Projekt, das im ersten Jahr auch Mut zum Ausprobieren wie auch Bereitschaft für Verbesserungen oder Nachjustierungen erfordern wird.
Wir sind davon überzeugt, mit den Selbstorganisierten Lernzeiten einen neuen Akzent im Niederalteicher Ganztag zu setzen und freuen uns auf die Herausforderungen dieser spannenden Entwicklung.
Charlotte Schnitzlein
Selbstorganisierten Lernens (SOL) – „Agenda 2025 – SOL in der 9./10. Jgst.“ (als pdf abrufbar)
Selbstorganisiertes Lernen am SGG in den Jahrgangsstufen 9/10“ – Zeitplan 2024-25 (als pdf abrufbar)











