St.-Gotthard-Gymnasium der Benediktiner Niederaltaich

Ganztagsgymnasium

Jubiläum „50 Jahre Ganztagsgymnasium im Niederalteicher Modell“

Fachtagung „Konzentriert und motiviert im Ganztag“ des ISB

Im Zusammenhang mit dem Jubiläum „50 Jahre Ganztagsgymnasium im Niederalteicher Modell“ freuten sich Abt Marianus und Schulleiter Johann Lummer, dass die Fachtagung „Motiviert und konzentriert im Ganztag“ in Kooperation mit dem ISB (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München) in Niederalteich durchgeführt worden ist. Der Leiter des Referats „Ganztag“ am ISB, Henry Steinhäuser, und sein Team konnten insgesamt fast 100 Teilnehmer willkommen heißen.

Bei der Begrüßung stellte Schulleiter Johann Lummer das St.-Gotthard-Gymnasium als eine der größten Ganztagsschulen in Bayern mit einer jetzt bereits 50-jährigen Erfahrung in der Schulentwicklung heraus und betonte, dass derzeit ca. 470 Schüler in den 5. bis 10. Jahrgangsstufen in 19 Klassen komplett im rhythmisierten Ganztagskonzept eingebunden sind. Mit dem Schuljahr 1968/1969 hat der Schulträger zusätzlich zum damaligen Internatsbetrieb den Zugang auch für sog. „Fahrschüler“ geöffnet und auf diesem Weg das sog. „Tagesheim“ für die 5. bis 8. Jahrgangsstufen mit der zeitlichen Struktur vormittags Unterricht und nachmittags Studium eingerichtet. Im Laufe der Jahrzehnte erfolgten zahlreiche Modifikationen, u.a. in den 1990er Jahren in Kooperation mit der Universität Regensburg. Kennzeichen des Niederalteicher Modells sind die Rhythmisierung des Unterrichts mit Freiarbeiten, Neigungsgruppen, Aktivphasen, die Abwechslung von Lern- und Übungsphasen sowie die Mittagsverpflegung, die durch die Klosterküche jeden Tag gewährleistet wird.

Mit Blick auf das Jubiläum „50 Jahre Ganztagsgymnasium im Niederalteicher Modell“ darf man mit Fug und Recht von einer Vorreiterrolle sprechen, die dem St.-Gotthard-Gymnasium im Bereich der Ganztagsschule in Bayern zukommt. Die stete Bereitschaft zur inneren Schulentwicklung mit Blick auf die Erfordernisse und Bedürfnisse der jeweiligen Zeit ist ein wichtiger Baustein dafür, dass das Niederalteicher Modell sich im Laufe der Jahrzehnte für die Region immer wieder attraktiv ausrichten konnte.

Abt Marianus legte in seiner Ansprache dar, dass das St.-Gotthard-Gymnasium als Bildungsanstalt mit dem Ziel der höheren Schulbildung für die Region sowie als Benediktinergymnasium mit dem Ziel der ganzheitlich-religiösen Bildung von der Abtei getragen wird. Auch wenn im Laufe der Jahre die Region heimatnah mit Gymnasien versorgt worden ist, bleibt für die Abtei das zentrale Bildungsziel: die Heranführung der Jugendlichen zu einer reifen Persönlichkeit in den vielfältigen menschlichen Vollzügen, auch in Glaubens- und Sittenfragen. Die Schüler auf ihrem Lebensweg zu begleiten und auch im Sinne des christlichen Glaubens reifen zu lassen, ist bleibende Herausforderung für das St.-Gotthard-Gymnasium. Diese Aufgabe ist angesichts der medialen Totalberieselung und der oftmals doppeltbeschäftigten Eltern wichtiger denn je. In diesem Sinne wünscht Abt Marianus der Ganztagsschule im Allgemeinen und dem St.-Gotthard-Gymnasium im Speziellen viel Erfolg und Gottes Segen.

Der Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Bernd Sibler unterstrich in seiner Ansprache das Thema der Fachtagung und die Bedeutung der akademischen Reflexion. Das pädagogische Bauchgefühl in der Praxis ist wichtig, die Lehrkräfte und das pädagogische Personal vor Ort sind entscheidend für den Erfolg einer Ganztagsschule, aber dazu sind auch die wissenschaftliche Begleitung und die Fachtagungen vor Ort zur Vernetzung von Theorie und Praxis bedeutsam. Angesichts des Jubiläums „50 Jahre Ganztag im Niederalteicher Modell“ berichtet der Minister, dass der Arbeitskreis Bildung der CSU unter der Leitung des späteren Kultusministers Siegfried Schneider im Jahr 2003 Niederalteich als Modellschule besucht und wichtige Impulse für den weiteren Ausbau der Ganztagsschulen in Bayern erhalten hat. Der Minister bringt es auf den Punkt: „So kann man mit Fug und Recht sagen: Überall, wo in Bayern Ganztagsschule draufsteht, ist ganz viel Niederalteich drin!“. Und der Minister führt in diesem Zusammenhang die Rhythmisierung des Unterrichts, die Vielfalt der Neigungsgruppen und die Mittagsverpflegung als vorbildlich an.

Im zentralen Vortrag der Tagung befasste sich Dr. Barbara Meyer von der Universität Nürnberg mit der Gestaltung von wertschätzenden Beziehungen. Einmal mehr wurde auch von Seiten der Hochschule die Beziehungsarbeit in den ganz unterschiedlichen Facetten als die zentrale Aufgabe des Lehrers im Ganztag betont. Entscheidend für das Gelingen der Zusammenarbeit von Lehrern und Schülern im Ganztag ist das gegenseitige Verständnis, die unbedingte Annahme des jeweiligen Gegenübers. Diese Beziehungsarbeit kostet viel Kraft und Energie, lohnt sich aber durch den gemeinsamen Erfolg.

In den sog. Salons wurden von den Referenten Beiträge zu den Themen Mentoring und Coaching, Digitale Bildung, Leseförderung und Freizeitprogramme im Ganztag vorgestellt. Hans Hösl, Mitarbeiter im Direktorat und Ganztagsbeauftragter am SGG, stellte dabei das Niederalteicher Konzept der Individuellen Förderung in der 9./10. Jahrgangsstufe. sowie das System Freiarbeit, Mentoring und Coaching vor.

Unter dem Motto der Fachtagung konnten die Teilnehmer nach dem Mittagessen in verschiedenen Workshops wie z.B. „Lernen optimal unterstützen“, „Kraft schöpfen aus der Ruhe“, „Lernumgebungen erfolgreich gestalten“, „Pausenspiele“, „Präsenz zeigen“, „Herausfordernde Situationen meistern“ viele Impulse für die eigene Praxis erhalten.

Erfolgreicher Ganztag steht und fällt mit dem Engagement der Lehrkräfte vor Ort. Die Teilnehmer waren sich zum Abschluss der Tagung einig, dass die Vorträge und Workshops viele Impulse und Anregungen für die Praxis bieten konnten. Zugleich stellte der kollegiale Austausch in der Tagung auch eine Bestätigung und Ermutigung für das persönliche Wirken im Ganztagsangebot der eigenen Schule vor Ort dar.

Das Niederaltaicher Ganztagsschulmodell

1. Gebundene Ganztagsschule

Schon seit 1968 wird das St.-Gotthard-Gymnasiumals gebundene Ganztagsschule geführt. Mit fast 600 Schülerinnen und Schülern in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 ist es das größte Ganztagsgymnasium in Bayern und das einzige dieser Art in Niederbayern.

Während sich an den offenen Ganztagsschulen der Unterricht nur auf den Vormittag konzentriert und am Nachmittag ein Zusatzprogramm angeboten wird, ist das Hauptmerkmal des Niederaltaicher Modells, dass sich Lern- und Übungsphasen sowie Zeiten der Entspannung abwechseln und über den ganzen Tag verteilt sind. Ein Fixpunkt ist das gemeinsame Mittagessen in den Speisesälen bzw. in der Mensa. Das komplette rhythmisierte Tagesprogramm ist für alle Schüler verpflichtend. Die Betreuung ist auf das jeweilige Alter zugeschnitten.

2. Arbeiten und Üben

In den Freiarbeitsphasen, die fest in den Tagesablauf integriert sind, werden die Schüler der Jahrgangsstufen 5 – 8 von Lehrkräften im Klassenverband betreut. Sie bestimmen hier eigenverantwortlich über die Erledigung schriftlicher oder mündlicher Hausaufgaben oder sie bereiten sich längerfristig auf Schulaufgaben vor. Außerdem arbeiten sie in dieser Zeit für Projekte. Dafür wird ihnen zusätzliches Übungsmaterial zur Verfügung gestellt, mit dem sie allein oder im Team arbeiten können. Bei Problemen kann jeder Schüler Hilfen durch die Lehrkraft oder durch Mitschüler erhalten.

In den Kernfächern sind Übungsphasen eingerichtet. Dadurch entstehen 90-Minuten-Einheiten, in denen die Lehrkraft sehr flexibel zwischen Stoffvermittlung und Training abwechseln kann. Dabei beobachtet die Lehrkraft den Lernfortschritt der Schüler und wird fördernd tätig.

Im Rahmen des G 8 wurde die Möglichkeit eröffnet, so genannte Intensivierungsstunden einzuplanen. Sie dienen der zusätzlichen Einübung des Stoffes und sind somit einer der großen Vorteile des G 8. Im Zeitraster der Ganztagsschule konnte das St.-Gotthard-Gymnasium diese Intensivierungsstunden gut in die Stundenpläne integrieren, sodass sie in allen Jahrgangsstufen stattfinden.

Von den Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klassen, die an der Schwelle zur Oberstufe stehen, muss man eine größere Selbstständigkeit und ein höheres Verantwortungsbewusstsein erwarten. Zwar wurde ihr Tagesablauf im Prinzip beibehalten. Die Freiarbeitsphasen wurden aber entscheidend verändert: Sie wurden nämlich im Stundenplan für die komplette Jahrgangsstufe 9 bzw. 10 parallel gelegt, sodass der einzelne Schüler immer drei Möglichkeiten hat:

  • Arbeit im Fachraum: Dort wird in Mathematik und in den Fremdsprachen eine professionelle Hilfe durch Fachlehrer geboten.
  • Arbeit im Silentiumraum: Unter Aufsicht eines Lehrers lernt der Schüler ungestört für sich allein.
  • Arbeit im Methodenraum: Hier ist gemeinsames Lernen mit Mitschülern möglich.

3. Freizeit

In den 5. und 6. Jahrgangsstufen wählen die Schülerinnen und Schüler in der Mittagsfreizeit Neigungsgruppen. Dabei legen sie sich jeweils für ein halbes Jahr fest. Das Angebot umfasst die Bereiche Sport / Bewegung, Kreativität / Musisches, Spannung / Spaß sowie Lesen und Entspannung.

Für die 7. und 8. Jahrgangsstufen sind Aktivphasen vorgesehen. Hier geht es nicht nur, wie in den Neigungsgruppen, um die Freizeitgestaltung; vielmehr sollen sich die Schülerinnen und Schüler aktiv und kreativ einbringen. Daher sind diese Gruppen vor allem im musisch-künstlerischen Bereich angesiedelt.

Eine weitere Besonderheit in den 9. und 10. Jahrgangsstufen ist der Wahlunterricht. Ausgehend von den Wünschen der Schülerinnen und Schüler wird jedes Jahr ein Angebot erstellt, das neben dem Internationalen EDV-Führerschein die Bereiche Sprachen, Kunst, Musik und Sport abdeckt. Allerdings können die Schülerinnen und Schüler auch zusätzliche Freiarbeitsstunden wählen und Hausaufgaben machen.

4. Mittagessen

Viele Schulen haben große Probleme, sinnvolle Lösungen in Bezug auf das Mittagessen zu finden. Das St.-Gotthard-Gymnasium ist im Gegensatz dazu in der glücklichen Lage, den Schülerinnen und Schülern ein gesundes und ausgewogenes Mittagessen anbieten zu können, das vor Ort in der Klosterküche täglich frisch und professionell zubereitet wird. In Zusammenarbeit mit Frau Rothbächer, Diplom-Ökotrophologin und zuständig für die Beratung der bayerischen Schulen in Fragen der Schulverpflegung, sowie mit Frau Semmler vom bayerischen Landwirtschaftsministerium wurde das Essensangebot in den letzten Jahren weiter optimiert. Neben der Erweiterung des Angebots steht immer mehr die gesunde Ernährung im Mittelpunkt.

Unter der Aufsicht von Lehrern nehmen die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5 und 6 das Mittagessen in der 6. bzw. 7. Stunde im Klassenverband in den Speisesälen ein. Für die Jahrgangsstufen 7 bis 10 ist ein Mensabetrieb eingerichtet. Diese Schüler entscheiden innerhalb eines bestimmten Zeitkorridors selbst, wann sie essen, und sie können zwischen verschiedenen Gerichten wählen.

5. Methodenräume

Die Effektivität des Lernens und Arbeitens am St.-Gotthard-Gymnasium konnte mit der Renovierung und Erweiterung des Gebäudes wesentlich gesteigert werden, da ein neues Raumkonzept realisiert wurde, das ideale Bedingungen für einen modernen Unterricht und besonders auch für die Freiarbeitsstunden bietet. Für eine Klasse stehen nun zwei Räume zur Verfügung. Sie sind durch eine Glasfront getrennt, sodass unter der Aufsicht eines Lehrers in einem Raum Stillarbeit durchgeführt werden kann, während im Methodenraum Partner- und Gruppenarbeit möglich ist. Diese Differenzierung innerhalb der Klasse eröffnet die Chance zur gezielteren Förderung des einzelnen Schülers.

Aus dieser knappen Darstellung des Niederaltaicher Ganztagsschulmodells wird ersichtlich, dass hier alle Voraussetzungen für eine intensive und altersgerechte Betreuung gegeben sind. Ab der 5. Jahrgangsstufe hilft es, zunächst mit den Schwierigkeiten beim Übertritt von der Grundschule und in den späteren Jahren mit den Anforderungen des bayerischen Gymnasiums zurechtzukommen. In der Mittelstufe sorgen dann der vorgegebene Rahmen und die festen Regeln der Ganztagsschule für die Strukturen, die in den Jahren der Pubertät, in der Zeit der Loslösung vom Elternhaus, besonders wichtig sind. So wird der Grundstein für eine erfolgreiche Bewältigung der Oberstufe des G 8 gelegt.