Vor fünf Jahren gastierte die Sakaide-Oberschule aus Japan das letzte Mal in Niederalteich. Der zweijährige Rhythmus der seit 2004 bestehenden Besuchstradition wurde in der Corona-Zeit unterbrochen. 2023 machten sich 21 Schülerinnen wieder auf den Weg nach Deutschland, um den Kulturkreis kennenzulernen, dessen Musik sie intensiv pflegen. Von den Aufführungen der vergangenen Jahre war man Perfektion und höchste Disziplin in der Ausführung gewohnt. Im Konzert in Niederalteich am Mittwochabend kam noch ein höchst bemerkenswerter Aspekt hinzu. Die Sängerinnen des Chors gestalteten ihre komplexen Stücke mit Bravour und Musikalität zugleich, mit technischer Souveränität und einer staunenswerten Leichtigkeit, für die es scheinbar kein „zu schwer“ gibt. Über die chorischen Grunddisziplinen ist die Gruppe der Japanerinnen ohnehin erhaben.

Aufschlussreich ist für die mitteleuropäische Schülerschaft und für das pädagogische Personal die straffe Führung der Gruppe und die Probengestaltung, in der Disziplinprobleme keine Rolle spielen. Insofern ist die Begegnung auch immer eine spannende Bestandsaufnahme der unterschiedlichen Leitlinien in der Erziehung und der Rolle der Hierarchie in den pädagogischen Konzepten.

Stilistisch waren die Stücke breit aufgestellt. Die Verbindung aus sicherem Stilempfinden, ungebrochener Aufmerksamkeit und musikalischer Präsenz ließ in romantisch orientierten Stücken ebenso aufhorchen, wie in moderner Chormusik mit ihren harmonisch reichen Farben und überraschenden Klangeffekten. Selbstverständlich alles bei auswendigem Vortrag und hochkonzentriert dem Chorleiter Prof. Tomoki Maeda folgend.

Die 17-jährigen Mädchen besuchen die Abschlussklasse einer auf drei Jahre hin ausgerichteten Schule mit musikalischem Schwerpunkt. Anschließend gehen die meisten an eine Musikhochschule, um sich als Künstlerinnen oder im Lehrfach Musik zu professionalisieren. Hier besteht ein bedeutender Unterschied zum allgemeinbildenden Schulsystem der Gymnasien. Dass Niederalteich den Vergleich nicht scheuen muss, belegte der erste Teil des Konzerts, in dem die Schulensembles mit der Farandole von Bizet und Gjeilos Sanctus prägnant unter der Leitung von Alexander Gsödl und Christoph Hackl musizierten. Anna Sebastian spielte souverän das Praeludium und Allegro von Fritz Kreisler, das vom Orchester begleitet wurde.

Traditionell vereinigen sich beide Schulen zu Schlussgesängen, dieses Mal zum „Die Ehre Gottes in der Natur“ von Beethoven und zum japanischen Lied Kamowe (Möwe). Den Nachmittag verbrachten die Japanerinnen ungezwungen mit Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums. Am Abend feierten sie ihre Begegnung im gemeinsamen Gesang.

Bernhard Falk / 27.4.23